OTC > 11 J.[Stand: 15.08.19]

Retaxrisiken

  • Obwohl uneingeschränkte Belieferungspflicht für OTC-Arzneimittel auch für Verordnungen von Patienten über 11 Jahren besteht (außer NA sowie über N-max), werden OTC-Arzneimittel regelmäßig retaxiert, wenn diese bei Patieten über 11 Jahren nicht auf der OTC-Ausnahmeliste stehen. Eine Begründung seitens der KKasssen fehlt.
  • Evt. auf dem Rezept vermerken: "Erstattungsfähig nach §§ 12 (7) u. 12 (8) AM-RL G-BA i.V.m. § 29 (1) Satz 1 BMV-Ä".

    Begriffsbestimmung

  • OTC-Arzneimittel = Apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (in der Kassensoftware z.B. als AP gekennzeichnet)
  • NA = Nicht-apothekenpflichtige Arzneimittel (in der Kassensoftware z.B. als NA gekennzeichnet)
  • N-max = Größe definierte Packungsgröße laut Anlage 1 PackungsV-VwV (Übersicht der Messzahlen)
  • AM-RL G-BA = Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses
  • BMV-Ä = Bundesmantelvertrag Ärzte
  • OTC-Ausnahmeliste = Anlage 1 zum Abschnitt F der AM-RL G-BA

    Zusammenfassung

  • Die AM-RL G-BA regelt die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassn. Die AM-RL G-BA ist eine untergesetzliche Norm, die rechtlich bindend ist (Rechtsgrundlage). Es besteht für Krankenkassen/ Apotheken/ Ärzte keine Ermächtigung, diese Festlegungen außer Kraft zu setzen oder zu verändern.
  • CAVE: Nichtapothekenpflichtige Arzneimittel (NA-Artikel) und Jumbopackungen (> N-max, ktp-Artikel) sind NICHT erstattungsfähig.
  • OTC-Arzneimittel dürfen grundsätzlich nur für Patienten bis einschließlich 11 Jahren zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassn verordnet werden § (12 (12) AM-RL G-BA).
  • Darüber hinaus können alle OTC-Arzneimittel altersunabhängig aufgrund von §§ 12 (7) u. 12 (8) AM-RL G-BA zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassn verordnet werden.
  • Darüber hinaus können alle OTC-Arzneimittel bis einschließlich 17 J. aufgrund von § 12 (12) 2. Halbsatz AM-RL G-BA zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassn verordnet werden.
  • Darüber hinaus können einige OTC-Arzneimittel altersunabhängig aufgrund der OTC-Ausnahmeliste zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassn verordnet werden.
  • Die Verordnungs- und damit Erstattungsfähigkeit ist damit nicht auf die OTC-Ausnahmeliste beschränkt. Die OTC-Ausnahmeliste setzt §§ 12 (7), 12 (8) und 12 (12) 2. Halbsatz AM-RL G-BA nicht außer Kraft.
  • Der Arzt hat die Verordnung von OTC-Arzneimitteln > 11 J. in der Patientakte zu begründen (§ 12 (9) AM-RL G-BA).
  • Ein Prüfpflicht für die Apotheke besteht nicht (§ 29 (1) Satz 1 BMV-Ä). Ein Hinweis auf den Verordnungsgrund darf aus Datenschutzgründen sowieso nicht auf dem Rezept vermerkt sein.

    Belieferungspflicht von OTC > 11 J.

  • Nach §§ 12 (7) u. 12 (8) AM-RL G-BA i.V.m. § 29 (1) Satz 1 BMV-Ä und § 1 Satz 2 ApBetrO besteht für Apotheken Belieferungspflicht für verordnete OTC-Arzneimittel (≤ N3) oder OTC-Rezepturen auf Kassenrezept für alle Patienten unabhängig vom Alter.
  • Ausnahme: Nicht erstattungsfähig sind dagegen z.B. nicht apothekenpflichtige Arzneimittel (in der Kassensoftware z.B. als NA gekennzeichnet) sowie Nahrungsergänzungsmittel (in der Kassensoftware z.B. als SO gekennzeichnet), und OTC-Arzneimittel > N3 (in der Kassensoftware z.B. als ktP gekennzeichnet), etc.
  • § 12 (7) AM-RL G-BA lautet: "Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die begleitend zu einer medikamentösen Haupttherapie mit zugelassenen, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Arzneimitteln eingesetzt werden (Begleitmedikation), sind verordnungsfähig, wenn das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Fachinformation des Hauptarzneimittels als Begleitmedikation zwingend vorgeschrieben ist."
  • § 12 (8) AM-RL G-BA lautet: "Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die zur Behandlung der beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines zugelassenen, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen (unerwünschte Arzneimittelwirkungen; UAW) eingesetzt werden, sind verordnungsfähig, wenn die UAW schwerwiegend im Sinne des Absatzes 3 sind."
  • § 12 (12) 2. Halbsatz AM-RL G-BA lautet: "Die Regelungen in Absatz 1 [OTC-Erstattungsausschluss] gelten nicht für [...] Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr [= einschließlich 17 J.]."
  • § 29 (1) Satz 1 BMV-Ä lautet: "Die Verordnung von Arzneimitteln liegt in der Verantwortung des Vertragsarztes."
  • § 1 Satz 2 ApBetrO lautet: "Ihre Vorschriften legen fest, wie die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten sicherzustellen ist."
  • Für die Apotheke besteht keine Verpflichtung, die Verordnungsfähigkeit nach §§ 12 (7) oder 12 (8) AM-RL G-BA zu prüfen oder gar zu erforschen: § 29 (1) Satz 1 BMV-Ä: "Die Verordnung von Arzneimitteln liegt in der Verantwortung des Vertragsarztes." D.h. es muss von der Apotheke nicht nachgewiesen werden, ob in einer Fachinformation eines anderen Medikamentes ein entsprechender Hinweis steht. Zumal der Apotheke die Co-Medikation des Patienten nicht zwangsläufig bekannt sein muss.
  • Die Apotheke ist ganz im Gegenteil zur Abgabe verpflichtet, um nicht gegen die Vorschriften des SGB V zu verstoßen. Bei Nichtabgabe droht im Zweifelsfall Abmahn- und Haftungsrisiko.

    Keine Prüfpflicht der Apotheke

  • Es besteht keine Prüfpflicht der Apotheke, ob nach § 12 (7) AM-RL G-BA oder § 12 (8) AM-RL G-BA oder § 12 (12) 2. Halbsatz AM-RL G-BA oder der OTC-Ausnahmeliste verordnet wurde.
  • Es besteht keine Prüfpflicht der Apotheke, ob die Verordnungsvorgaben für OTC-Arzneimittel vom Arzt eingehalten wurden.
  • § 29 (1) Satz 1 BMV-Ä und § 1 Satz 2 ApBetrO setzen eine mögliche Prüfpflicht der Apotheke außer Kraft.
  • Auf ähnliche Weise wird eine mögliche Prüfpflicht bei Arikeln mit Verordnungsausschluss nach Anlage III AM-RL G-BA durch § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V außer Kraft gesetzt.
  • Es besteht in beiden Fällen kein absolutes Verordnungsverbot für den Arzt und Lieferpflicht für die Apotheke. Eine Prüfpflicht der Apotheke ergäbe sich nur bei einem absoluten Verordnungsverbot, was in beiden Fällen nicht zutrifft, auch wenn sich dies nicht direkt aus den Verbots-Paragrafen ergibt.
  • Ausnahme: Eine Prüfpflicht der Apotheke ergibt sich nur, wenn der Apotheke offensichtlich bekannt ist, dass weder § 12 (7) noch § 12 (8) AM-RL G-BA noch die OTC-Ausnahmeliste zutrifft, wenn der Arzt z.B. eine eindeutig nicht passende Diagnose vermerkt. Der Vermerk einer Diagnose auf Arzneimittel-Rezepten ist im Gegensatz zu Hilfsmittel-Rezepten aufgrund des Datenschutzes nicht zulässig, da eine entsprechende gesetzliche Grundlage fehlt.
  • Für den Arzt besteht keine Verpflichtung, z.B. "verordnet nach § 12 (7)" auf dem Rezept zu vermerken.
  • In Zweifelsfällen besteht für die Apotheke auch keine Nachfragepflicht beim Arzt, was sich bereits aus Datenschutzgründen ergibt.
  • Die Verordnung nach § 12 (7) AM-RL G-BA ist nur zulässig, wenn diese als Begleitmedikation zwingend vorgeschrieben ist.
  • Da die Verordnung nach § 12 (8) AM-RL G-BA ist nur zulässig, wenn die UAW's schwerwiegend sind.
  • Nach § 1 ApBetrO darf die Apotheke die Abgabe zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen grade in diesen Fällen nicht verweigern, da sonst die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nicht sichergestellt ist, bzw. bei Auftreten von UAW's bei Nichteinlösen des Rezeptes auf Grund der Abgabeverweigerung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen die Apotheke belangt werden könnte.
  • Die Indikation des Mittels in diesem Zusammenhang völlig irrelevant.

    OTC-Ausnahmeliste

  • OTC-Ausnahmeliste = Anlage 1 zum Abschnitt F der AM-RL G-BA
  • Nach den §§ 12 (7) u. 12 (8) AM-RL G-BA kann ein Arzt alle OTC-Arzneimittel nur in den dafür vorgesehenen Grenzen verordnen. Die OTC-Ausnahmeliste erweitert zusätzlich die Verordnungsfähigkeit einiger OTC-Arzneimittel, beschränkt jedoch nicht die prinzipielle Verordnungsfähigkeit aller anderen OTC-Arzneimittel, sofern diese nach §§ 12 (7) u. 12 (8) AM-RL G-BA verordnet werden, wozu es keine Prüfpflicht der Apotheke gibt.
  • Die §§ 12 (7) u. 12 (8) AM-RL G-BA setzen die OTC-Ausnahmeliste nicht außer Kraft, da die OTC-Ausnahmeliste zusätzliche Verordnungsmöglichkeiten neben §§ 12 (7) u. 12 (8) AM-RL G-BA für den Arzt schafft.
  • Die §§ 12 (7) u. 12 (8) AM-RL G-BA setzen eine mögliche Prüfpflicht der Apotheke außer Kraft, da sich die Verordnungsfähigkeit von OTC-Arzneimitteln > 11 J. nicht auf die OTC-Ausnahmeliste beschränkt.

    Tebonin bei Ohrgeräuschen

  • Siehe Tebonin bei Ohrgeräuschen RahmenV 2019